Pressereaktionen | „Die Herstellung des Films war für sie eine Herausforderung, mit einer innerlichen Gespaltenheit auzuräumen. Persönlichen und historische Erfahrungen aufarbeiten, überhaupt beginnen, Material zu einer (eigenen) Identität zu sammeln, das ist Thema von ETWAS TUT WEH von Recha Jungmann. Im Film besucht sie das jetzt verlassene Haus ihrer Kindheit, das in einem Dorf steht, in dem noch Menschen leben, die ihre Familie gekannt haben. Auch sie selbst als Kind gekannt haben. Aber damit wird das Bild von ihr selbst nicht deutlicher, nur komplexer. Die Komplexität und die Unmöglichkeit, die Erinnerung zu beleben,geben die Stimmung wieder. Recha Jungmann: „Die Niedergeschlagenheit und der Kummer, die mich befielen als ich den Ort meiner Geburt wiedersah, sind jetzt weniger stark. Doch was ich beim Filmen der Landschaft meiner Herkunft entdeckt habe, ist, wie diese Landschaft meine Gefühlsleben, meinen Blick geprägt hat: eine meditative Einstellung – ich meditiere zwar nicht – ist kennzeichnend für mich. Daß ich zuweilen immer noch Unruhe empfinde, liegt an der Geschichte meiner Familie. Mutter und schon Großmutter hatten einen Laden. Als Kind erinnere ich mich, daß es hieß, ich müsse mich an die Menschen, an die Kunden des Ladens „anpassen“. Zugleich hatte meine Familie einen besonderen Platz in der Dorfgemeinschaft inne, sie war isoliert durch die Überzeugung meines Großvaters, der ein Gegner des Nationalsozialismus war. Bewußt habe ich Auseinandersetzungen, die bei uns zuhause stattfanden, als Kind nicht wahrgenommen – aber doch hatte der Konflikt sich in mir festgesetzt.“ Der Film wurde ohne Drehbuch hergestellt, was Schwierigkeiten mit dem Filmteam mit sich brachte, das vom Fernsehen her anders zu arbeiten gewohnt war. Ein großer Teil des Films ist dann auch mit einem anderen Team gedreht worden. Gedreht wurde in drei Phasen, in der jede auf die anderen aufbaute, den Film eigentlich erst entwickelte. Recha Jungmann versuchte ihre eigene Bildsprache zu entwickeln. Die Kontemplation bringt die Präzision mit sich; die Spannung, die den Zuschaue vielleicht am Anfang des Films vermißt, wird bald von der Suggestivkraft der Bilder erzeugt. Unwillkürlich ist man konfrontiert mit eigenen, nicht verarbeiteten Erinnerungen. So sieht Recha Jungmann auch ihre Absicht sich selbst und dieser Arbeit gegenüber. Sie fordert Konzentration vor der Interpretation – gerade gegenüber und von den Menschen, die durch den Film als Medium gewinnen wollen. In einem neuem Film will sie einem vorgegebenen Drehbuch folgen, „um besser abweichen zu können“. Joke Huismann in „Koeview“, Festivaltageszeitung Filminternational Rotterdam, Nr. 9, 6. 2. 1980.“ (Quelle: Biedermann et al. (1981) Bilder aus der Wirklichkeit)
„… Recha Jungmann bleibt mit ihrer Geschichte, mit der Geschichte unversöhnt: „Etwas tut weh“, das Gefühl der Fremdheit, das sich in den Spuren der Vergangeneit durchbeißt, wird von der Regisseurin im modischen Schaumbad vorschnellen Versöhnens und Verstehens aufgeweicht. In der Kälte der deutschen Geschichte kann Gefühl authentisch nur als Schmerz oder Verletzung erfahren werden, – und so ist Recha Jungmanns eigenständige Filmform, die quer durch zu den Genreeinteilungen von Dokumentation und poetischen Spielfilm liegt, eine genaue Nachzeichnung und Umsetzung erster Erfahrungen und letzter Erinnerungsspur. … Frankfurter Rundschau, 2. Mai 1980 “ (Quelle:Biedermann et al. (1981) Bilder aus der Wirklichkeit)
"... Sie führt Gespräche mit den Einwohnern, lauscht gelegentlich mit Mikrofon und Kamera, aber nicht in einem Studio, sondern draußen auf der Straße, wo das Geknatter vorbeifahrender Motorräder den Ton stört. Für solche atmosphärischen Signale hat Recha Jungmann viel Sinn; dazu gehört auch die herb-sparsame Musik von Frank Wolff: Cellotöne, unmelodisch, klopfend, kratzend, bohrend, sägend. Allmählich findet der Film sein Zentrum in der Vergangenheit: den Großvater, der als einziger in dem Dorf den Nazis Widerstand entgegensetzte und der auch später strikt nach seinem eigenen Kopf lebte – er weigerte sich nach dem Krieg, Rente anzunehmen. "Etwas tut weh" ist ein Nachruf auf diesen Großvater und ein Abschied von der Vergangenheit, auch von der eigenen. Das geschieht in Bildern, die bei aller oft symbolträchtiger Aussage (anders als einige eingesprochenen texte) eigentümlich leicht bleiben, vieldeutig, den Zuschauer nie bevormunden. Wenn in dieser Zurückhaltung nicht nur ein Reiz, sondern auch eine Schwäche liegt, dann ist es eine sympathische Schwäche. ... Neue Presse Frankfurt, 2. Mai 1980" (Quelle:Biedermann et al. (1981) Bilder aus der Wirklichkeit)
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