Inhalt | Kinder, Jugendliche, Halbwüchsige - in Berlin, St. Petersburg, Paris und Rio. Die Helden sind elternlos, kleine Kriminelle, Arbeitlose ohne erkennbare Ausssichten. / Der Regisseur hat ihnen kleine Videokameras gegeben und ihnen nicht gesagt, was sie filmen sollen. Doch die Verwandtschaft ihrer Aufnahmen verblüfft. / Herausgekommen ist ein ergreifender Film, in dem der Regisseur den Kindern ihre Sprache läßt und ihre kleinen intimen Tragödien. (HDF Datenbank)
"galera heisst soviel wie Trip unter Kollegen und spielt auf ein bedrückendes Leben an. Gerd Kroske unternimmt diesen Trip – für den er sich Zeit lässt – nach St. Petersburg, Mantes-la-Jolie (in der Nähe von Paris), Rio und Berlin, um Jugendlichen zu begegnen, die vom « normalen » Alltagsleben ausgeschlossen sind. Was den Filmemacher jedoch interessiert, ist ihre Norma- lität, ihr Alltag, die aus einem unfreiwilligen Zusammenleben in Heimen, Vorstadt-Blöcken, Elendsvierteln und Erziehungsanstal- ten bestehen. Diese Jugendlichen sind in jeder Hinsicht Waisen – sie haben keine Eltern, keinen Beruf, keine Vorbilder, keine Bezugswerte und keine Zukunftsaussichten. Sie sind auf der Strecke geblieben, verletzt in ihrer Persönlichkeit und gebrand- markt von einer Welt, die ihnen auch den bescheidensten Wunsch versagt (« eine richtige Familie haben », sagt ein kleiner Russe). Das heisst jedoch nicht, dass Kroske ihnen ihre Identität abspricht, wenn er in ihrem eigenen Umkreis auf sie zugeht. Und darin liegt die erste Qualität seiner Arbeit, dass er die Schwelle zu ihrem täglichen und imaginären Territorium über- schreitet, um ihre Sicht auf die Welt in kurzen Gesprächen vor der Kamera aufzuzeigen.
galera means going about with your mates and suggests a dull and turgid life. And Gerd Kroske does get about, taking his time as he visits St. Petersburg, Mantes-la-Jolie (near Paris), Rio and Berlin in order to meet young people excluded from “normal” everyday life. But what interests the filmmaker is the particular normality of their existence, composed of forced meetings in homes, housing estates in the suburbs and slums and correction centres. These teenagers have no parents, no trade, no role-mod- els, no example and no future. They have been shoved aside, hurt inside and stigmatised by a world which renders their ambi- tions unattainable, no matter how minimal they may be (one little Russian boy talks of “having a nice family”). That is not to say, though, that these characters have no identity, as Kroske shows as soon as he approaches them within their circle. This is the first achievement of his work, his ability to penetrate their every- day mindset in order to communicate their ways of seeing the world, spelt out during short interviews to the camera. Moreover, the filmmaker comes to grips with building these different destinies into a structure which, while chronologically discontinuous, remains coherent through the themes which lend rhythm to its development. The interlacing that the editing intro- duces does not simplify the portraits of the various groups, but points out their particularities while at the same time setting them within the context of a vast transcultural scene. This dialec- tic of the particular and the general emanates from the rigour with which the director focuses and maintains his shots and conceives the editing through thematic association.
??Darüber hinaus verwebt der Filmemacher diese verschiedenen Schicksale miteinander zu einer chronologisch unzusammenhän- genden, inhaltlich aber geschlossenen Struktur. Dieses vom Schnitt ausgefeilte Geflecht stellt nicht vereinfachte Gruppenbil- der dar, sondern zeigt die Besonderheiten, wobei es diese gleichzeitig auch in einem weiteren, transkulturellen Horizont ansiedelt. Diese Dialektik zwischen Singulärem und Allgemei- nem ist das Ergebnis der Akribie, mit der der Autor die Einstel- lungen wählt, die Aufnahmen dauern lässt und den Schnitt durch inhaltliche Assoziationen gestaltet. Und schliesslich stellt Gerd Kroske sogar die Prinzipien seiner Ästhetik auf die Probe, wenn er den von ihm gefilmten Jugendli- chen eine kleine Kamera anvertraut. Diese gestalten atemlose, clipartige, phantastische Sequenzen, die, sobald sie in den Film eingebaut sind, den Filmemacher auf seine grundlegende Ver- schiedenheit von ihnen verweisen. Es gibt keine Verschmelzung zwischen dem Autoren und den Jugendlichen, nur Berührungs- punkte, geprägt von einer luziden und schmerzhaften Hoffnungs- losigkeit, die ein unglaublicher Lebenshunger immer wieder durchbricht. Und doch scheinen die rütttelnden Strassenbahnen von St. Petersburg in den letzten Bildern von galera nicht der Endstation Sehsucht entgegenzufahren." (jp, Visions du Réel Onlinearchiv) |