Inhalt | „Aus wochen- und tagelangen Gesprächen mit den 16- bis 17jährigen Schülerinnen der 10. Klasse einer Münchner Realschule, nach Dutzenden von Einzelgesprächen, Gesprächen zu dritt, in der Gruppe, in der Klasse und in den Familien der Mädchen, die auf nicht weniger als 25 Stunden Film gebannt wurden, hat Christian Rischert eine filmische Dokumentation erstellt, die weit mehr ist als nur eine Momentaufnahme und auch mehr ist. als der Titel und Untertitel des Films vermuten lassen.
Ohne festes Konzept und ohne vorgefasste Meinung, die es anschließend zu bestätigen galt, nahm Rischert Kontakt mit der Klasse auf, gewann das Vertrauen der Mädchen und erreichte es schließlich auch, dass sie sich mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit, Natürlichkeit und Offenheit frei vor der Kamera äußerten. Nichts wurde gestellt, bestellt oder vorher abgesprochen. Rischert ging das Wagnis ein, bei allen sich ergebenden Gesprächen und Diskussionen, deren Verlauf und vor allem Ergebnisse niemandem bekannt waren, stets die Kamera startbereit zu haben und auf Verdacht hin einschalten zu lassen.
Aus der Fülle des gedrehten Materials kristallisierte Rischert behutsam und mit großem Einfühlungsvermögen jene Gesprächspunkte, Fragen, Probleme und Selbstäußerungen der Mädchen und ihrer Eltern heraus, die ihm besonders wichtig und symptomatisch für das Verhalten und die Einstellungen, für das Denken und Fühlen, für den Bewusstseinszustand und die durch Erziehung, Familie, Umwelt und Gesellschaft geprägte Rollenfunktion der gezeigten Personen zu sein schienen. Das dabei zu Tage geförderte Gesamtbild an Motivationen, Einstellungen und Verhaltensmustern fasziniert und erschüttert zugleich und kann – auch wenn diese Dokumentation bewusst auf Analyse, Interpretation und Kommentierung des Gezeigten und Gesagten verzichtet –durchaus verallgemeinert werden.
Faszinierend wirkt der Film vor allem deshalb, weil es dem Dokumentaristen, dessen politisch-gesellschaftliches Engagement genauso spürbar ist wie seine Sensibilität, sein Taktgefühl und sein fast bewundernswertes Einfühlungsvermögen, gelang, dass sich die Beteiligten gesprächsweise offen und ehrlich mitteilten. Obwohl Rischert als Gesprächspartner stets anwesend und beteiligt ist (ohne allerdings im Bild aufzutauchen), greift er nur dann ein, wenn er die Notwendigkeit sieht, angeschnittene Fragen zu vertiefen, weiterzuführen oder neue Ansatzpunkte zu finden.
In gewisser Weise erschütternd sind die Aussagen deshalb, weil mit ihnen belegt werden kann, welchen Zwängen die jungen Mädchen unterliegen (und nicht nur seitens des Elternhauses) und wie weit sie von der Emanzipation entfernt sind. Bezeichnend dafür ist ihre Einstellung zur Ehe. Zwar ist die Sexualität für sie kein Tabu mehr, und sie alle haben, bis auf wenige Ausnahmen, bereits mehr oder weniger große Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können; aber dennoch vermögen sie beim Thema Ehe und Partnerwahl nur jene Klischees zu reproduzieren, die die Ehefrau zum Sklaven des Haushalts und des Mannes machen. Diese Mädchen, die jungen Frauen von morgen, sind – wie könnte es anders sein – das getreue Spiegelbild ihrer kleinbürgerlichen Umwelt, die sie zur eigenen Selbstbestätigung zwingt, die Mittlere Reife zu absolvieren, aber von Abitur und Studium nichts wissen mag. Hier wird, insbesondere in den Aussagen der Eltern und in der Darstellung des Verhältnisses zwischen Tochter und Elternhaus, bewusst gemacht, woran und wieso die Mobilisierung weiterer Bildungsreserven vorläufig noch scheitern wird: Sobald Kinder der unteren und (unteren) mittleren Gesellschaftsschicht weiterführende Schulen besuchen, gelangen sie früher oder später an den Punkt, wo die Eltern ihnen geistig nicht mehr gewachsen sind und wo ernsthafte Kommunikationsschwierigkeiten auftreten. Die jungen Menschen verlieren damit nicht nur einen wichtigen Kommunikationspartner, sondern auch den Mut und permanenten Ansporn für die Weiterbildung.
Es wäre zweifellos lohnenswert und wichtig, alle von der vorliegenden Dokumentation indirekt aufgezeigten erzieherischen und gesellschaftlichen Probleme und Fragen einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Leider aber sprengt dies den Rahmen einer Filmbesprechung. Zu hoffen bleibt, dass diese Dokumentation eine möglichst weite Verbreitung findet und dementsprechend auch diskutiert und ausgewertet wird.“ (Atlas Schmalfilm (Hg.): Gesamtkatalog für das Kino zum Selbermachen. Duisburg o.J. [ca. 1974], S. 56) |