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Details

Bruchstücke

Titelangaben

TitelBruchstücke
AlternativtitelBroken Pieces

Allgemeine Angaben

LandDeutschland
Produktionsjahr1996
Dauer55min
FarbeFarbe
MaterialVideo

Beteiligte Personen

Beteiligte Firmen

Distribution

Uraufführung19.02.1996, Berlinale
FestivalteilnahmenBerlinale: Forum, 1996

Inhalt

Inhalt
"Der Film sucht nach der Vergangenheit meiner jüdischen Familie in Beregszász (Karpatho-Ukraine), einer Stadt, die in diesem Jahrhundert fünf verschiedenen Staaten angehörte. Meine Großmutter, Serena Davidovics, wurde dort 1914 geboren, wanderte 1930 nach Belgien aus, überlebte Auschwitz, während ihr Mann und ihre Familie in den Konzentrationslagern ermodet wurden. Sie starb 1987 in Brüssel.
Ich bin in Beregszász Schicksalen nachgegangen, die von vielen der einst 6.000 Juden geteilt wurden. Heute leben dort etwa Hundert, viele in Mischehen, und nur ein Dutzend geht samstag in die Synagoge. Sechs Überlebende des Holocausts waren meine Interviewpartner. Mein Interesse verschob sich von einer persönlichen auf eine allgemeine Ebene. Die Erinnerungen und Erfahrungen anderer gaben mir die Möglichkeit, die Lebensumstände zu erahnen, unter denen meine Familie lebte. Ich fand Bruchstücke: alte Klassenbücher, Zeugnisse, Eintragungen im Geburtenregister und Häuser, in denen die Davidovics lebten.
In Brüssel befragte ich meinen Vater, meinen Onkel und zwei Halbgeschwister zu ihren Erinnerungen an Serena, von deren Vergangenheit wir wenig wußten und die ich als Deutscher erst mit vierzehn Jahren zum ersten Mal gesehen habe.
So ist der Film auch eine Reflexion über unser Verhältnis zum Judentum, dem wir Kinder durch unsere nicht-jüdischen Mütter nicht mehr angehörten. Dies entbindet uns jedoch nicht von komplizierten Gefühlen, Schuldkomplexen, der Last der Geschichte und einer gewissen Sehnsucht, manchmal doch dazugehören.

Ãœber den Film
Einen jüdischen Vater zu haben, spielte in meiner Kindheit in Ost-Berlin keine größere Rolle. Durch das Aufwachsen in der DDR wußte ich von den Konzentrationslagern und den Greueln der Deutschen. Vom Tod vieler jüdischer Familienmitglieder erfuhr ich durch meine deutsche Mutter. Ich kannte die Fakten der Vernichtung und glaubte, wie viele in meiner Generation, dadurch alles zu wissen. Persönliche Geschichte war ein Tabu. Mein Vater erzählte nichts, und ich fragte ihn nicht danach. Meine jüdische Familie lernte ich erst mit vierzehn Jahren kennen, nach der Übersiedlung aus der DDR 1980.
Mein Vater ist Atheist, und Begriffe wie 'Schabbat' und 'koscher' waren mir ebenso fremd wie der Anblick einer Synagoge von innen, das Feiern einer 'Barmitzwa' oder das Tabu meiner Muttersprache: deutsch. Gleichzeitig tauchte eine neue Sprache auf, die ich erstaunlich gut verstand: jiddisch. Zu einer tieferen Wahrnehmung meiner jüdischen Wurzeln kam es erst nach dem Tod meiner Großmutter 1987. Dabei spielten die Umstände, daß ihre Muttersprache ungarisch war, und meine
Ausbildung als Kameramann in Budapest eine entscheidende Rolle.
Das typische Schicksal der Familie Davidovics stellt den Übergang von persönlicher Geschichte z u allgemeiner Geschichte dar. Sie gehörte zu c a . 8.000 Juden, die vor d em Zweiten Weltkrieg in
Beregszâsz und Umgebung wohnten und alle im April 1944, vor zweiundfünfzig Jahren, deportiert wurden. Nur 1.200 überlebten die Todes- und Vernichtungslager.
Dieser Film ist gedacht als eine Aufforderung gegen das Verdrängen und Schweigen. Nationalstaaten, die aus dem Ersten Weltkrieg entstanden (wie Jugoslawien und die Tschechoslowakei), sind von der Landkarte verschwunden. Antisemitismus, Rassismus und Intoleranz werden heute in Verbindung mit Nationalismus und Chauvinismus überall in Europa verharmlost. Deshalb ist es wichtig, zur eigenen Identität zu stehen und sich mit ihr
auseinanderzusetzen.
Mir erscheint der Blick auf die Geschichte und die Gegenwart einer multikulturellen Stadt, die im 20. Jahrhundert zu fünf verschiedenen Staaten gehörte, wichtig und von allgemeinem Interesse." [Jörg Taszman; Programm Berlinale 1996]

Schlagworte

Quellenangaben

Angaben zur Quellefilmportal.de
Berlinale 1996 Onlinearchiv
Berlinale 1996 Programm
imdb.com