Inhalt | "Rund eine Viertelmillion Deutsche sind nach dem Krieg nach Kanada ausgewandert, mehr als in irgendein anderes Land der Welt einschließlich der USA und Australien. Die meisten verließen Deutschland, weil sie wirtschaftlich schneller vorankommen wollten, weil sie sich nach einem eigenen Haus sehnten, mit einer Garage für den eigenen Wagen, nach materieller Sicherheit für sich und ihre Familie. Das alles bietet Kanada noch heute dem europäischen Auswanderer, der einen praktischen, möglichst technischen Beruf erlernt hat, der sich nicht scheut, auch in abgelegenen Provinzen sein Brot zu verdienen und den es nicht stört, wenn er viel häufiger als im alten Europa seine Stellung wechseln muß. Die meisten deutschen Auswanderer, die unsere Reporter in Kanada getroffen haben, sind ohne finanzielle Sorgen. Stundenlöhne von 3 Dollar = 12.50 DM gehören längst nicht mehr zu den Seltenheiten. Und weil in Kanada fast alles - von der Kleidung über die Möbel, die Haushaltsgeräte bis zum eigenen Dach überm Kopf - auf Abzahlung gekauft wird, geben sie dem Besucher aus Deutschland den Eindruck, wohlhabende Bürger zu sein. Daß dieses Bild manchmal trügt, erlebten unsere Berichterstatter zum Beispiel in Elliot Lake im mittleren Ontario. Diese Stadt besteht erst seit gut sechs Jahren und lebt ausschließlich von dem Uranerz, das in den Bergwerken vor seinen Toren gefördert wird. Weil die Nachfrage nach Uranerz überall in der Welt ganz plötzlich nachließ, sind sieben der elf Gruben von Elliot Lake bereits geschlossen, drei weitere werden im Laufe dieses Jahres stillgelegt. Rund 5000 Bergarbeiter sind von heute auf morgen arbeitslos geworden, darunter fast 1000 Deutsche. Weil es außerhalb der Uran-Bergwerke in Elliot Lake keine anderen Erwerbsmöglichkeiten gibt, werden sie die Stadt verlassen müssen und damit all das von ihrem Besitz, was in ihre Autos nicht hineinpaßt. Die meisten dieser früheren Deutschen haben sich inzwischen an die Spielregeln des kanadischen Lebens so gewöhnt, daß sie diese plötzliche Arbeitslosigkeit verhältnismäßig gelassen hinnehmen. Wenn das Glück nicht in Elliot Lake zu finden ist, dann vielleicht in Vancouver, Toronto, Montreal oder in einem der vielen Holzfäller-Camps tief in den kanadischen Wäldern. Fast 24.000 Kilometer hat das Kölner Fernsehteam mit einem eigenen Filmwagen auf seiner Reise quer durch Kanada und Amerika zurückgelegt. Unsere Reporter haben mit wohlhabenden Kaufleuten gesprochen, mit Waldarbeitern, mit Farmern, Bergleuten und Unternehmern. Die meisten sind erst in den letzten zehn Jahren nach Kanada gekommen. Im Raum Kitchener im südlichen Ontario, das früher einmal Berlin hieß, fanden unsere Berichterstatter eine kleine deutsche Sprachinsel, in der die Nachfahren von Deutschen leben, die bereits am Ende des 18. Jahrhunderts ihre Heimat verlassen haben. Viele gehören zur Sekte der Mennoniten, sparsame, fleißige Menschen, deren Farmen für ihre Reinlichkeit, ihre guten Erträge in ganz Kanada bekannt sind. Die Orthodoxen unter ihnen lehnen noch heute die Benutzung moderner Landmaschinen ab, auch zum Gottesdienst fahren sie nicht im landesüblichen Straßenkreuzer, sondern mit Pferd und Wagen. Ihre Umgangssprache ist eine deutsche Mundart mit schwäbischen, hessischen und elsässischen Elementen. Die jüngste Generation jedoch spricht oft nur gebrochen deutsch, sie ist im Zuge der Industrialisierung Kanadas zu einem Teil vom Lande in die Stadt abgewandert, der hohen Löhne und des bequemeren Lebens wegen. In den 16 Jahren seit dem Ende des letzten Krieges ist die Bevölkerungszahl Kanadas von 16 auf 18 Millionen gestiegen. In einem Land, das 40mal größer ist als die Bundesrepublik eine verschwindend geringe Zahl von Menschen. Noch auf Jahrzehnte hinaus wird Kanada das Land der Zukunft bleiben für unternehmungslustige junge Leute." (Deutsches Fernsehen: ARD-Presseinformation, Nr. 18, 1961) |