Biografie | †30.07.2014 der Nähe von Berlin
Harun Farocki wird am 1.9.1944 in Neutitschein (CZ) als Sohn des Inders Abdul Qudus Faroqui und seiner Frau Lili Faroqui, geb. Draugelattis, geboren. Nach mehreren Umzügen und Auslandsaufenthalten wird er 1962 in Berlin ansässig, macht dort im Abendstudium sein Abitur und studiert Theaterwissenschaft, Soziologie und Publizistik. 1966 beginnt er sein Studium im ersten Jahrgang der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), 1968 wird er mit 18 weiteren Kommilitonen – unter ihnen auch Hartmut Bitomsky, Wolfgang Petersen und Holger Meins – aus politischen Gründen für kurze Zeit relegiert.
Bereits 1966 beginnt Farockis Filmarbeit, frühe Werke wie "Die Worte des Vorsitzenden" (1967) und "Nicht löschbares Feuer" (1969) sorgen für Aufsehen. Von Kritikern wird "Nicht löschbares Feuer", als "intelligent und präzise" gelobt, Klaus Kreimeier nennt ihn den "wichtigsten Agitprop-Film der Vietnam-Bewegung", andere Stimmen lehnen den Film als "marxistisches Agitpropstück" ab. Kontinuierlich arbeitet Farocki seitdem hinter sowie vor der Kamera, seine Filme hebeln tradierte Gattungen aus, oszillieren immer wieder zwischen Experimental-, Dokumentar- und Essayfilm, in der Gegenwart und Haltung der Filmemachers bzw. der Filmemacher spürbar bleiben.
Ab 1972 ist er Autor und ab 1974 Redakteur der Zeitschrift "Filmkritik", die 1984 ihr Erscheinen einstellen muss, weil sie, so Farocki, "finanziell daran gescheitert ist, über Film zu schreiben, ohne dem Zuschauer zu sagen, was er von dem Film halten möge". Neben Dozententätigkeiten, Hörfunkbeiträgen und kleineren Fernsehaufträgen – in den 1970er Jahren produziert Farrocki auch Beiträge für die TV-Sendung "Sesamstraße" – arbeitet er auch am Theater: Gemeinsam mit Hanns Zischler inszeniert er 1976 in Basel Heiner Müllers "Die Schlacht" und "Traktor".
Es folgen weitere Film- und Fernsehproduktionen wie z.B. "Zwischen zwei Kriegen" (1978), "Etwas wird sichtbar" (1980-1982), "Wie man sieht" (1986),
"Der Ausdruck der Hände" (1997), "Gefängnisbilder" (2000) und "Erkennen und Verfolgen" (2003), die Harun Farocki international den Ruf eines der bedeutendsten Vertreter des zeitgenössischen Dokumentarfilms einbringen.
Seit "Pilotinnen" (1995) ist er zudem in unterschiedlichen Funktionen an allen Spielfilmen von Christian Petzold beteiligt. 1993 erhält Harun Farocki eine Gastprofessur an der University of California in Berkley, seit 2000 lehrt er an der Universität der Künste Berlin. 2003 wird "Erkennen und verfolgen" beim Filmfestival in Locarno mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet
2004 legt er mit "Nicht ohne Risiko", über den Versuch einer Firma, Investoren für ein neues Projekt zu gewinnen, einen weiteren Dokumentarfilm vor. In den Jahren danach produziert Farocki unter anderem Aysun Bademsoys Dokumentarfilme "Die Hochzeitsfabrik" (2005) und "Ich gehe jetzt rein" (2008) und nimmt mit der Videoarbeit "Deep Play" in Kassel an der documenta XII teil. Sein Dokumentarfilm "Zum Vergleich", über die unterschiedlichen Arbeitsweisen bei der Ziegelfabrikation in Industrie- und Entwicklungsländern, feiert im Forum der Berlinale 2009 Premiere und wird bei der Duisburger Filmwoche 2009 mit dem ARTE-Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet.
Quelle: Filmportal.de |