Beschreibung | Der Essayfilm handelt von Abstraktem. Man könnte ihn den „intellektuellen Bruder“ der Dokumentation nennen, wenngleich fiktionale und erzählerische Elemente vorkommen können. Wie der literarische Essay, über den Adorno sagte, er thematisiere „das Verhältnis von Natur und Kultur“, verdichtet der Essayfilm den Gegenstand in seinen inhaltlichen und formalen Reflexionen durch eine betont subjektive Herangehensweise. Häufig werden theoretisch-abstrakte Begriffe behandelt und für sie nach einer geeigneten filmischen Form gesucht. Die vorfilmische Realität dient dem Essayfilm als „Rohstoff“ für das Netz von Zusammenhängen und Assoziationen, das vom Autor gespannt wird. Ihr Argumentcharakter überlagert die dokumentarischen Eigenschaften. Der Essayfilm versteht sich als ein Versuch (frz.: essai = Versuch), ein Thema zu erschließen. Er verzichtet auf kausal begründete Handlungen, durchgehende Figurenzeichnungen oder argumentative Stringenz. Dagegen ist er bewusst fragmentarisch, erzeugt Verunsicherung und bindet das Publikum in die Deutungsarbeit mit ein. Seine Offenheit erlaubt es, ein Thema aus vielen Perspektiven zu reflektieren und zu disparaten – inhaltlichen und formalen – Elementen zu greifen. Typischerweise stellt er einen überpersönlichen, räumlich und zeitlich unbegrenzten Zusammenhang dar. Er arbeitet mit Polarisierungen und Analogien, ist oft nach dem Prinzip der Reihung strukturiert oder folgt Assoziationen und Kontrasten. Durch das spezifische Interesse am Subjektiv-Reflexiven gilt der Essayfilm als Autorenfilm par excellence. Zu den bekanntesten Essayfilmern zählt Chris Marker (Sans Soleil, 1982); in Deutschland stehen besonders die Filme von Harun Farocki (Zwischen zwei Kriegen, 1978; Arbeiter verlassen die Fabrik, 1995) für diese Tradition. Auch Alexander Kluge hat mit Formen des Essayfilms gearbeitet (Die Patriotin, 1979) und sie für seine Fernsehproduktionen weiterzuentwickeln versucht. Nach Christina Scherer, die den Essayfilm in Analogie zum literarischen Essay nach Montaigne beschreibt, zeichnet sich der Essayfilm durch: Subjektivität, filmische Selbstreflexivität und –referentialität, die Integration dokumentarischer, spielfilmischer und experimenteller Elemente in den Filmtext, Intertextualität und Intermedialität aus. (aus: http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=702) |